Maria Zinfert
Paul Scheerbart und die Briefe der Gläsernen Kette

 

Seminar im Wintersemester 95/96 am Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft (heute: Peter Szondi Institut) der Freien Universität Berlin.

 

Paul Scheerbart arbeitete 1913 an seiner Schrift Glasarchitektur, in der er in 111 konzisen Kapiteln seine Visionen einer Architektur aus farbigem Glas mit all ihren wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Implikationen darstellt. Im selben Jahr lernte er Bruno Taut kennen, der damals mit dem Entwurf eines Glashauses beschäftigt war, das 1914 auf der Kölner Werkbund Ausstellung als Pavillon der Glasindustrie errichtet wurde. Wände aus farbigem Glas markieren nicht so sehr eine Grenze zwischen Innen und Außen als vielmehr einen Transfer. Auch einen Transfer zwischen Architektur und Literatur. Scheerbarts Sprache hielt die Dinge in der Schwebe, Tauts gläserner Kuppelbau dynamisierte das Raumgefühl.

Der Erste Weltkrieg beendete die Werkbund Ausstellung vorzeitig, das Glashaus von Bruno Taut verfiel und wurde 1922 abgerissen. Paul Scheerbart war 1915 gestorben. Lebendig wurden seine Ideen jedoch noch einmal in einem Briefwechsel, den Bruno Taut in den Weihnachtstagen 1919 initiierte. Etwa ein Jahr lang tauschten die Architekten der Gläsernen Kette in Briefen ihre Träume einer neuen Architektur und Kultur aus.